03.04. – Eine heiße Dusche und Höhlenwohnungen

Was haben die Höhlenwohnungen mit einer heißen Dusche zu tun? Eigentlich nichts (vermutlich gab es in den Höhlenwohnungen keine), aber beides ist herrlich.

8 Uhr Tagwache. Heute Morgen war es schon recht frisch und es soll noch kälter werden. Brrrr. Auf der Masseria del Pantaleone fand ich saubere Hygieneräume und heißes Wasser vor. Ich genoss ausgiebig eine heiße Dusche und wärmte mich von der Nacht auf. Vielleicht ist campen doch nicht so toll … Anfang April … in den Bergen…. ohne Heizung. Naja, Sommer kann jeder. 😉

Dankend gab ich den Super-Akku an meinen holländischen Nachbarn zurück, verabschiedete mich von beiden Familien und nahm den kostenfreien Shuttlebus der Masseria rauf in die Altstadt. Alles im Preis von €22,00 + €1,00 für die Dusche inbegriffen. Abholung um 13 Uhr, un’ora, one o’clock, si un’ora.

Gestern dachte ich noch, oh Gott, warum bin ich hier hergefahren. Matera kann ja gar nichts. Dieser falsche Eindruck aus verfallenen und neu draufgebauten Häusern entstand in mir. Da hab ich die Altstadt und vor allem die beiden Sassi noch nicht gesehen.

Ausgestattet mit warmem Pulli, Regenmantel, Regenschirm und Pashmina schickte ich mich an die Sasso Caveoso und die Altstadt zu Fuß zu erkunden. Macht euch selbst einen Eindruck.

Matera liegt in der Region Basilikata. Also, die kannte ich noch nicht, nicht mal dem Namen nach. Die Region Basilikata liegt südöstlich von Kampanien, südwestlich von Apulien und nördlich von Kalabrien. Sie wird in zwei Provinzen gegliedert – Provinzen Potenza und Matera. Zweitere gilt übrigens als einer der ältest-besiedelten Orte der Welt. Genug Geographie, jetzt zu den Sassi und deren Geschichte. 🙂

Aus Viva-italia.it kopiert:

Die Grotten wurden in den relativ weichen Sand- und Tuffstein gehauen. Anfangs waren es die natürlichen Höhlen, die die Menschen als Unterkunft nutzten. Da sich der Stein gut bearbeiten ließ, wurden die Unterkünfte bald ausgebaut und man grub ganze Wohnungen in den Berg, die ständig durch Anbauten erweitert wurden. Die Menschen schnitten Quader aus dem Berg heraus, um diese wiederum als Baumaterial für den Vorbau zu nutzen. Je tiefer die Höhlen gegraben wurden, desto mehr Baumaterial wurde gewonnen und als Fassade vor der Grotte aufgebaut.

Neben- und übereinander entstand so im Laufe der Jahrtausende eine Höhlenstadt in den Felsen, ein verschachteltes Netzwerk aus Höhlenwohnungen, engen Gassen und kleinen Plätzen, dazwischen Felsenkirchen, das zusammen ein großes architektonisches Kunstwerk ergibt.
Heute sind die Höhlenwohnungen, die „Sassi von Matera“ als Teil des Unesco Welterbes der Menschheit weltweit bekannt und stehen unter Denkmalschutz.

https://www.viva-italia.it/Regionen/Basilikata/Matera_Geschichte.php

Wer über die Sassi noch mehr wissen will, kann sich auch hier schlau machen. Den schönen Sonnenuntergang und die beleuchteten Sassi werde ich leider ob des regnerischen Grauslich-Wetters nicht erleben.

https://visititaly.golf/matera-die-sassi-und-die-felsenkirchen/

Die Sassi waren einst ob der katastrophalen hygienischen Zustände in den Höhlenwohnungen und ob der daraus resultierenden hohen Kindersterblichkeit von 44% das Schandmal von Italien. Erst in den 50er Jahren des vorigen Jahrtausends begann die zwangsweise Umsiedlung von 30.000 Menschen, die hier hausten. 1968 war dieser Prozess abgeschlossen und die Menschen kamen in modernen Wohnungen unter.

1986 stellte man die Sassi unter Denkmalschutz und 1993 erklärte die Unesco sie zum Weltkulturerbe. Die Renovierungsarbeiten begannen in den 1990er Jahren, die bis heute andauern. Heute werden die Sassi vorwiegend für Hotellerie & private Vermietung, Gastronomie, Geschäfte etc, genutzt. Und aus dem Schandmal Italiens wurde der Stolz dieses Landes.

Am obersten Hügel der Sasso Caveoso ist eine von 150 Felsenkirchen der Stadt angesiedelt – die Santa Maria di Idris. Macht sie doch einen imposanten Eindruck und ich wollte sie von innen sehen. Doch der hohe Eintrittspreis erschien mir ehrlich gesagt zu viel. Von außen muss auch reichen.

Es war 11:30 Uhr und ich fror und wollte zurück. Deshalb beschloss ich den kurzen Weg von 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Das wärmte mich. Angekommen in der Masseria holte ich mir Tee, Laptop und Ladekabel aus Paulina, setzte mich in die charmebefreite Gaststätte der Masseria und begann meine Blogs von gestern und heute zu schreiben. Wärmer wurde mir dadurch auch nicht. Erst eine Hülsenfrüchte-Suppe gab mir etwas wärmende Energie und sättigte ausgiebig. Ich befürchtete aber auch, dass sie mich nicht nur von innen wärmt, sondern auch von innen blähen wird. Herzerwärmend war allerdings das Gewinsel vom Haushund Thalia. Einer älteren Dame, die angebunden neben mir zu sitzen kam. Erst als ich sie ausgiebig streichelte und kratzte und mich mit ihr unterhielt, war sie beruhigter. Mim, du musst nicht eifersüchtig sein, du bist unerreicht die Süßeste und Besteste!

Ich beschloss übrigens heute noch hier zu bleiben. Die Aussicht auf eine heiße Dusche morgen Früh war es mir weitere €22+€1 wert. Und wo ich morgen lande ist – ihr erratet es sicher schon – eine andere Geschichte. Ciao amici. Baci!

02.04. – Ein Pferd, ein Hafen, ein Herz und Trulliland …

Im Gegenteil zum Samstag, an dem ich ja länger schlief, wachte ich am Sonntag sehr zeitig auf und machte mich um 8 Uhr schon auf den Weg.

Bei der Ausfahrt von Ostuni verabschiedete mich noch ein stolzes Pferd. Kein Schmäh – bitteschön.

Mein Ziel war Brindisi – die Hafenperle im Süden Italiens. Am Hafen beim Centro parkte ich Paulina für eine Stunde kostenfrei. Wirklich schön und das Wetter lud mich ein an der Hafenbucht entlang zu schlendern. Was mir zuerst auffiel waren viele Joggerinnen und Jogger und noch mehr Hundeausführer:innen. Und ich fand kein einziges Hauferl – also Hundehauferl meinte ich, sonst auch keins. 🙂

Brindisi lächelte mich an und ich lächelte zurück. Eine schöne Stadt, zumindest der Teil, den ich sah. Hier ein paar Eindrücke.

Zeit für die Weiterreise. Ich änderte meine Pläne und fuhr nicht weiter südlich. Das Wetter war zwar heute noch schön, aber ab Montag solls kalt und regnerisch werden. Neues Ziel ist Martina Franca. Laut Reiseführer sehenswert und der behielt recht.

Auf dem Weg nach Martina Franca blitzten vorwitzige Zipfelmützen durch das Dicht der Olivenhaine. Hm, sehr lustig. Aber dazu später mehr.

Martina Franca beeindruckt als barocke Stadt Apuliens mit wunderschönen Palästen und Häusern. Die entzückende Innenstadt lädt mit vielen Ristoranti und Bars wie alle italienischen Städte und der historischen Architektur zum Verweilen ein.

Ich traf auf Emilia und ihren Papa als ich ein merkwürdiges Objekt beobachtete und mich schon fragte, was es denn zu bedeuten habe. Dass man Schuhe auf Leinen oder Bäume hängt, kenne ich ja, aber eine Hexenpuppe mit Knoblauch? Eigenartig. Emilia war etwas schüchtern, ihr Papa weniger. Er erklärte mir, dass es ein Osterbrauch bzw. besser ein Fastenbrauch sei. Die Hexe wird 40 Tage vor Ostern aufgehängt und mahnt an die Fastenzeit. Am 40sten Tag wird sie verbrannt. Also eh wie bei uns, nur keine Hexe sondern einfach ein Osterfeuer. Eh klar, nicht wahr?

Nach meinem Rundgang nahm ich die Einladung der Stadt zum Verweilen gerne an und gab meinem Hunger nach. Das Lokal meiner Wahl – wegen der tollen Musik und den Sonnenplätzen – bot nur Getränke an. Die zweite Wahl entpuppte sich leider als das vermutlich schlechteste Lokal am Platz. Seine Lage versprach allerdings weit mehr. Siehe oberes Panorama-Bild unter den Arkaden in der Mitte. So kann man sich täuschen.

In dieser schönen barocken Kirche wurde gerade eine Messe abgehalten und ich lauschte eine Weile. Natürlich hab ich nichts verstanden, aber der Tonfall und das katholische Gesinge des Padres klang ähnlich dem unserer Priester. 🙂

Und jetzt schenke ich euch noch mein Herz, ihr lieben Freundinnen und Freunde. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an euch alle, die ihr meinen Blog lest und mir entzückende Signal-Nachrichten schickt. Das freut mich sehr. Es geht aber noch weiter, selber Tag, neues Ziel. <3

Irgendwo in Martina Franca bei einem Shop …

So, weiter gehts. Alberobello liegt weitere 20 Minuten westlich über die SP58.

Die Landstrassen muss ich ehrlich sagen – auch am Gargano durch den Foresta Umbra – sind in einem derart desolaten Zustand, dass ich froh bin, die Stoßdämpfer noch gemacht haben zu lassen (war das jetzt deutsch?).

Die vorwitzigen Zipfelmützchen wurden entlang der Strecke immer mehr und ich stellte fest – ich war in Trulliland! So putzig, das hab ich wirklich noch nie gesehen, also live. Die meist weißen oder grauen Dächer der Trulli gibts in allen Größen, alt oder neu, renoviert oder verfallen, bewohnt, landwirtschaftlich genutzt oder als B&B angeboten.

Die Hauptstadt im Trulliland ist Alberobello. Schlumpfhausen oder Auenland, sag ich euch. Ich erwartete jeden Moment einen Schlumpf oder einen Hobbit aus einem der Trulli herauskommen zu sehen. Dabei haben diese kegelförmigen Dächer eine Bedeutung. So sagt zumindest die Legende. Das hat mir übrigens auch Emilias Papa erzählt. Man sagt, dass es früher eine Steuer auf die Dächer gab. Um diese Steuer zu umgehen, baute man nicht die üblichen Dächer, sondern eben diese Kegelform und runde Häuser in Trockenbauweise ohne Mörtel. Somit wurden sie nicht als feste, sondern als temporäre Wohnsitze anerkannt, die jederzeit ab- und wieder aufgebaut werden konnten. Das sparte Steuer. Das ist doch ziemlich schlau von den Italienern. Das älteste Trullo soll aus dem 14. Jhdt. stammen, in Alberobello ist das älteste 300 Jahre.

Hier nun das sehr sehenswerte rione monti – die Trulli-Zone – in Bildern.

Angeblich wohnen am rione monti auch heute noch 3.000 Einwohner. Die Armen. Ich nahm vorwiegend Restaurants, Bars, Shops, Souvenierläden, Vinotheken und Schmuckläden wahr. Und schon eine Menge Touristen!

Das ist übrigens das älteste Trullo und ich hatte Glück auf die Besitzerin zu treffen. Sie lud mich ein, das Trullo innen zu beisichtigen. Es ist ein B&B, wer Interesse hat, ich habe ein Prospekt bekommen.

Dann gibt es noch die Trullo-Wallfahrtskirche Santuario der Santi Medici. Ein beeindruckender Bau.

Wallfahrtskirche Santuario der Santi Medici

Am liebsten wäre ich noch hier geblieben, aber mein Endziel für heute war Matera.

Über die SS7 vorbei an Noci gelangte ich nach Matera. Rauf ins Centro fand ich leicht, raus aus dem Centro nicht mehr. Umleitungen und Baustellen verwirrten das Navi und mich. Ich folgte einem offensichtlich italienischen Touristen, der ebenfalls ins Zentrum wollte und dann die Umleitung nehmen musste. Der kannte sich ja noch weniger auch als ich. Nach Umwegen und meiner eigenen Entscheidung gelangte ich endlich wieder raus, hielt kurz an, um mir über die App Park4Night einen geeigneten Stellplatz zu suchen.

Auf der Masseria del Pantaleone am Fuße von Matera fanden wir unser Nachtquartier und sind sehr glücklich. Nach einem Tag ohne Dusche ist es hier das Paradies. Auch nette Stellplatz-Nachbarn hatte ich. Eine Münchner und eine holländische Familie mit jeweils einer 10jährigen Tochter und eine 5jährigen Sohn. Die waren perfekt ausgerüstet. Die Holländer waren auf einer 7monatigen Reise. Marokko, Frankreich, Spanien, Italien, Albanien, Monte Negro, Deutschland, Schweden, Finnland und nach Hause. Ich habe ihnen auch den Attersee sehr ans Herz gelegt. 🙂

Ich brauche unbedingt einen Akku! Mit dem bin ich autark was Strom betrifft, das ist eine Challenge, immer einen geladenen Laptop zu haben.

Und jetzt Trommelwirbel, Achtung, ein weiteres Higlight des Tages. LOL. Ich machte erstmals richtig auf campen. Na, wo bleibt der Applaus? 🙂

Ein abendliches Tratschen bei Wein und Chips mit den Nachbarn ließ einen herrlichen Tag voller großartiger Eindrücke lustig und sanft ausklingen. Warum eigentlich Matera fragt ihr euch vielleicht? Es ist die Stadt der Sassi. Die Höhlenwohnungen in Apulien. Aber das erzähle ich euch morgen und ist eine andere Geschichte. Buona notte. Ciao V

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